Folge 08

Leben mit einer Spenderniere

Urs Denzler wusste schon früh, dass seine Nieren versagen würden; denn seine Familie ist von einer Erbkrankheit betroffen. Seit einigen Jahren lebt er nun mit einer Spenderniere. Seine gesunde Schwester Ruth Haller wird demnächst dem gemeinsamen Bruder eine ihrer Nieren spenden. Im Gespräch mit Patrick Rohr erzählen die beiden, wie sie in der Familie mit der Erbkrankheit umgehen.

Moderiert von Patrick Rohr

12.04.2023

Schon der Vater der Denzlers litt an einer sogenannten Zystenniere und musste sich einer Nierentransplantation unterziehen. «Die Nachricht war kein Schock für mich. Ich wusste, dass man gut mit nur einer Niere leben kann», sagt Urs Denzler. Doch wäre die Erbkrankheit nicht schon genug Unheil für seine Nieren: In seiner Kindheit verunfallte er mit seinem Velo. Dabei zog er sich eine Nierenverletzung zu, die zu dessen Verlust führte. Er wusste also schon früh und aus eigener Erfahrung, wie es ist, mit nur einer Niere zu leben.

Die familiäre Zystenniere ist eine relativ weitverbreitete Erbkrankheit. Rund zehn Prozent aller Nierentransplantationen sind auf sie zurückzuführen. Sie wird dominant vererbt. «Das heisst, dass das Risiko für die Nachkommen eines Betroffenen bei 50 Prozent liegt, ebenfalls an einer Zystenniere zu leiden», sagt Dr. Michael Dickenmann, Nierenspezialist vom Unispital Basel. In der Familie Denzler sind drei von vier Geschwister betroffen. Die Krankheit äussert sich im jungen Erwachsenenalter durch die Bildung von Zysten – also mit Flüssigkeit gefüllten Blasen – auf und in der Niere. Die Nieren wachsen stark an und können im Verlauf der Zeit bis zu sechs Kilogramm schwer werden. Die Funktionsfähigkeit des Organs nimmt allmählich ab. «Man wartet mit der Transplantation aber so lange wie möglich, um Zeit zu gewinnen», sagt Dickenmann.

Seine Schwester Ruth Haller ist das einzige der vier Denzler-Geschwister, die von der Erbkrankheit verschont blieb und mit gesunden Nieren lebt. Voraussichtlich im kommenden Jahr wird sie ihrem zweiten Bruder eine ihrer Nieren spenden. Die verminderte Leistung seiner Nieren machen eine Transplantation unausweichlich. «Seine Nierenfunktion liegt derzeit bei etwa 15 Prozent, das heisst man kann noch etwa ein Jahr mit der Transplantation warten», sagt Haller. Trotz der Freude darüber, ihrem Bruder helfen zu können, hatte Ruth Haller auch Zweifel: «Ich fragte mich, was die Transplantation für meine Gesundheit bedeutet.» Ein Restrisiko gibt es zwar bei jeder Operation. Michael Dickenmann erklärt aber, dass die Transplantation sowohl für Spender als auch Empfänger sehr sicher ist.

«In der Schweiz ist es noch nie vorgekommen, dass ein Spender aufgrund der Operation verstorben wäre. Und auch nach der Operation haben die Spender dieselbe Lebenserwartung wie jemand, der noch beide Nieren hat.» Schwierig gestaltet sich dagegen oft die Suche nach einem geeigneten Spenderorgan. «Im Schnitt warten Patienten drei Jahre auf eine Spenderniere», sagt Dickenmann. Viele Zystennieren-Patienten müssen deshalb in den Jahren vor der Transplantation zwei bis dreimal pro Woche zur Dialyse, um das Blut von Giftstoffen zu reinigen. Auch Urs Denzler musste vor der Transplantation mehrmals wöchentlich das Blut reinigen. Heute nimmt Urs Denzler täglich Medikamente, damit sein Körper die gespendete Niere nicht abstösst. Ansonsten lebt er Beschwerdefrei und widmet sich oft seinem Hobby, dem Töfffahren.

  • Dr. Michael Dickenmann, Patrick Rohr, Urs Denzler und Ruth Haller (v.l.n.r.)

    Dr. Michael Dickenmann, Patrick Rohr, Urs Denzler und Ruth Haller (v.l.n.r.)

  • Urs Denzler und Ruth Haller

    Urs Denzler und Ruth Haller

  • Dr. Michael Dickenmann

    Dr. Michael Dickenmann

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