Folge 16

Die Angst vor dem Kranksein

Bei Myrta Tonin wird eine seltene Art des Blutkrebses diagnostiziert. Sie zeichnet sich durch eine übermässige Produktion von roten und weissen Blutkörperchen sowie Blutplättchen aus. Myrta Tonin muss sich deshalb regelmässig Blut abnehmen lassen, kann aber ein relativ beschwerdefreies Leben führen. Ab einem bestimmten Zeitpunkt leidet sie immer wieder an sehr hohem Blutdruck und Herzrasen. Sie sucht mehrmals die Notaufnahme auf. Die Ursachen bleiben unbekannt. Doch die Angst vor dem Herzrasen bleibt, verselbständigt sich und hat Frau Tonin fest im Griff. Ihr behandelnder Arzt hilft ihr, Distanz zur Angst aufzubauen und sie zu überwinden.

Moderiert von Patrick Rohr

13.09.2023

Die Krankengeschichte von Myrta Tonin begann vor 10 Jahren. Durch einen Zufall wurde damals bei ihr eine seltene Art des Blutkrebses (Polyzytemie) entdeckt. Unbehandelt besteht dabei die Gefahr, dass Blutgerinnsel und Thrombosen entstehen. Die Krankheit ist unheilbar, kann aber mit einer palliativen Therapie in Schach gehalten werden. Bei einer regelmässigen Blutabnahme, dem sogenannten Aderlass, wird übermässiges Blut entnommen, was dieses Risiko eindämmt und der Patientin ein beschwerdefreies Leben ermöglicht.

An die regelmässige Blutentnahme hat sich Myrta Tonin schnell gewöhnt. «Man baut diese Termine einfach ins alltägliche Leben ein». Obwohl sie ihre Krankheit damit im Griff zu haben schien, hörten die Probleme nicht auf. Immer öfter klagte sie über Kopfschmerzen und einen extrem hohen Blutdruck. Mehrere Besuche in der Notfallaufnahme, verschiedene Tests und Abklärungen brachten keine Klarheit zu den Ursachen ihres hohen Blutdrucks. Ihr Arzt war sich zudem sicher, dass ihre Therapie nichts damit zu tun hatte. Denn durch Blutentnahme wird dem Blut Masse entzogen und der Blutdruck sollte sinken.

Ohne klare Diagnose blieb Frau Tonin nur die Angst. Ständig mass sie ihren eigenen Blutdruck, ihr unwohles Gefühl verstärkte sich zusätzlich durch Herzflattern, Atemnot und Schmerzen in der Brust. Nachdem alle Tests und Befunde negativ waren, war für ihren Hausarzt, Dr. Stephan Maydl, klar: Sie müssen einen anderen Weg beschreiten. Er schickte die Patientin in die Reha. Dank einer vierwöchigen Behandlung schaffte es Myrta Tonin schliesslich von ihren Angstzuständen loszukommen. «Ich bin eine Realistin und eine Psychotherapie war für mich bisher rein esoterisches Zeug», meinte Tonin. Nach dieser Erfahrung hat sie aber erkannt: Der Körper und die Psyche sind untrennbar miteinander verbunden.

Psychosomatische Krankheiten, also körperliche Leiden verursacht durch eine psychische Belastung, werden immer häufiger. Die Gründe dafür verordnet Dr. Maydl im ständig zunehmenden Leistungsdruck und der Schwierigkeit abzuschalten. Aber auch die unsichere geopolitische Lage und die weltweite Pandemie haben Spuren hinterlassen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass die Menschen Zugang haben zu einem Hausarzt, der sie gut kennt, ihnen aufmerksam zuhört und sie eng begleiten kann.

  • Dr. Stephan Meidel, Myrta Tonin und Patrick Rohr

    Dr. Stephan Meidel, Myrta Tonin und Patrick Rohr

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